Kira Weis: Fleißige Titelsammlerin auf dem Weg zur U20-EM

Kira Weis: Fleißige Titelsammlerin auf dem Weg zur U20-EM

Uli Hörnemann

Mit ihren 19 Jahren zählt sie zu den jungen Wilden in der deutschen Lauf-Szene. Kira Weis, die Frontrunnerin, die immer mutig die Initiative an sich reißt, ist eine vielseitige Athletin. Auf der Bahn hat sie eine breite Leistungspalette vorzuweisen: von 1.500 bis 5.000 Meter. Auch im Gelände ist Weis bärenstark. Nach ihrem Triumph bei der DM 2022 in Löningen wurde sie EM-Sechste in Turin und führte das DLV-Team im Mandria-Park zur Bronzemedaille in der Teamwertung.

Kira Weis hat in diesen Tagen viel um die Ohren. Sie ist im Abi-Stress und muss fleißig büffeln. Zwei Klausuren kurz vor den Deutschen Meisterschaften in Mittweida sorgten für ein strammes Programm. Erst musste sie in Mathe ran, dann in Chemie, zwei Fächer, die ihr liegen. „Ich finde es sehr, sehr spannend, dass sich mit den Naturwissenschaften alles erklären lässt.“

Sie geht aufs Gymnasium Rutesheim, mit fast 1.400 Schülerinnen und Schülern eines der größten und modernsten Gymnasien im Landkreis Böblingen. „Nach dem Abitur werde ich höchstwahrscheinlich studieren“, sagt Weis, „ich bin mir allerdings noch nicht sicher, in welche Richtung es gehen soll.“ Sie kann sich gut vorstellen, später selbst zu unterrichten: also Lehramt, vorzugsweise Physik in Kombination mit Mathematik, denn das logische Denken gehört zu ihren Stärken.

Knifflige Aufgabe bestens gelöst

Eine knifflige Aufgabe wartete in Mittweida auf die fleißige Gymnasiastin. Im 5.000-Meter-Rennen traf sie auf Adia Budde, die Hindernis-Spezialistin vom TSV Altenholz, die ihr bei der U20-Hallen-DM in Dortmund über 3.000 Meter auf und davon gestürmt war. Franziska Drexler von der LG Telis Finanz Regensburg besaß ebenfalls vorzügliche Aussichten auf eine Medaille. Was tun? Kira Weis, die talentierte Nachwuchsläuferin von der KSG Gerlingen, suchte ihr Heil in einer geordneten Flucht nach vorn.

„Ich dachte mir: Mach‘ Tempo, bevor es zu langsam wird“, verriet sie hinterher die taktische Order, die der routinierte Trainer Ralph Sagasser ihr mit auf die Bahn gegeben hatte, „das war genau richtig!“ In der Endphase löste sich Weis, deren Klubkolleginnen Lisa Maisch (5. in 17:31,78 Minuten) und Pia Kircher (6. in 17:39,43 Minuten) ebenfalls aufs Podium kletterten, von ihren beiden Verfolgerinnen: Adia Budde, die sich redlich, aber vergeblich bemühte, Anschluss zu halten, kam genauso wenig mit wie Drexler, die schon vorher eine Lücke gelassen hatte, die sie nicht mehr schließen konnte.

Das flotte Trio freute sich im Zielraum, umringt von Journalisten und Fotografen, unisono über neue Bestleistungen. Kira Weis, die unerschrockene Tempobolzerin, steigerte sich auf 16:17,09 Minuten. In ihrem Sog schnappte sich Adia Budde die Silbermedaille in 16:27,98 Minuten. „So schnell war ich noch nie“, sagte sie, keuchte und rang nach Luft, „das war hart.“ Franziska Drexler, der „Spatz“ aus Regensburg, holte Bronze in 16:32,20 Minuten und meinte: „Als Kira die Führung übernommen hatte, wurde es richtig schnell.“ So schnell, dass alle drei die Norm für die U20-EM (16:45 Minuten) in Jerusalem (Israel) deutlich geknackt haben.

Einst "Lauf-Schlumpf", jetzt nationale Spitze

Früher hat Kira Weis, die in Gerbersheim wohnt, einem Ortsteil von Leonberg, unter anderem einige Erfahrungen im Fußball, Schwimmen und Tischtennis gesammelt. Ihr Steckenpferd ist jedoch das Laufen, das sie einst bei den „Schlümpfen“ entdeckt hat.

Ralph Sagasser, ein ehemaliger 10.000-Meter-Mann mit einem Hausrekord von 29:12 Minuten, gründete 2012 das Schlumpflaufteam bei der KSG Gerlingen, um talentierten Jungs und Mädchen eine Heimat zu bieten. Sagasser hat den Aufstieg von Klein-Kira hautnah mitbekommen, er hat sie gefordert und gefördert, bis sie zu einer Klasse-Läuferin herangereift ist. O-Ton Sagasser: „Kira weiß immer, wie sie laufen muss.“ Intuitiv macht sie das Richtige, wie in der sächsischen Universitätsstadt Mittweida, wo keine Konkurrentin ihrem Schrittwirbel gewachsen war.

Jerusalem soll besser werden als Cali

Die 19-Jährige, die im vergangenen Sommer mit ihrem 3.000-Meter-Erfolg in 9:32,27 Minuten bei der U20-DM in Ulm die Fahrkarte für die Weltmeisterschaft in Cali (Kolumbien) gezogen hatte, will in Jerusalem auf europäischer Ebene besser abschneiden als noch in der Metropole von Kolumbien. Dort wurde sie Zwölfte in 16:57,63 Minuten. „Die WM war nicht so, wie ich mir das erhofft hatte“, gibt Kira Weis ehrlich zu, „der Wettkampf war auf 1.000 Meter Höhe.“

Ungewohnt für eine „Flachlandtirolerin“, die mit diesen Verhältnissen nicht vertraut ist. „Vorher hatten wir ein Trainingslager in Florida auf Meereshöhe absolviert.“ Für die DLV Laufgarde sei das nicht ideal gewesen. „Andererseits habe ich in Cali sehr viele Erfahrungen machen können“, fügt sie hinzu, „davon werde ich in Israel sicherlich profitieren.“ Ihr Selbstbewusstsein und ihr Vertrauen in die eigene Stärke werden ihr bei dieser Herausforderung weiterhelfen.

Auf ihr Nervenkostüm kann sich Kira Weis ohnehin verlassen, zu hundert Prozent. Hibbelig und zappelig ist sie selten. Ansonsten hätte die Abonnement-Meisterin nicht neun nationale Titel errungen: sieben in der Einzel- und zwei in der Mannschaftswertung. Immer live dabei: Mutter Antje. „Ich bin die Taxifahrerin“, verkündet sie mit einem Lächeln, „wenn meine Tochter startet, schaue ich sehr gerne zu.“